Lieber Herr Heiligenhaus,
Ich verstehe weiterhin nicht, was an der bisherigen
Katalogisierungspraxis unzulänglich sein soll.
Das wird hier immer wieder in den Raum gestellt, aber allein: mir fehlt der Glaube rsp.
die
Überzeugung, daß diese Behauptung stimmt. Auch hatte ich ja bereits darauf hingewiesen,
daß sich unsere Daten doch möglichst weit in der bestehenden (!) Welt verbreiten sollten,
sprich: In der ZDB auftauchen, im Verbundsystem, im OPAC, im Worldcat, in ZVDD, in
Europeana usw. usf. Alle diese Systeme kennen Periodika in der Form, wie sie nun mal
aktuell katalogisiert werden. Und alle diese Systeme kann man mit den hier relevanten
Metadaten versorgen und der Nutzer kommt so elegant dorthin, wo er hin möchte.
das ist genau der Punkt: die existierenden Nachweissysteme sind für "Periodika in der
Form, wie sie nun mal aktuell katalogisiert werden" geeignet. Die Frage (und meine
Behauptung) ist aber, ob diese aktuelle Katalogisierungspraxis für Digitalisate überhaupt
noch angemessen ist oder ob man nicht die Praxis (und damit die Kataloge) an die digitale
Welt anpassen müsste. Meiner Ansicht nach greift die Katalogisierung da nämlich viel zu
kurz, in dem sie beispielsweise nur die Gesamtheit verzeichnet, nicht aber die Fülle an
verfügbaren Struktur- und Metadaten (die ja ein Novum der digitalen Welt ist).
Wir haben ja faktisch bereits einen anderen Erschließungsstandard für Digitalisate als für
analoge Werke - beispielsweise ein Strukturdatenset und ein METS-Profil, das beschreibt
wie die Strukturen abgebildet werden sollen. Die Praxis haben wir also bereits an die
digitale Welt angepasst, nur die Kataloge nicht. Wir erschließen bei einem Digitalisat
also viel mehr als bei einem analogen Werk, verzeichnen aber nicht mehr in den Katalogen,
weil die Kataloge diese Informationen derzeit auch gar nicht aufnehmen könnten. Die
zusätzlich erschlossenen Informationen gehen für den Nutzer praktisch wieder verloren und
um den verschenkten Vorteil dieser Informationen auszugleichen, basteln wir dann digitale
Äquivalente von analogen Regalen, vor denen der Nutzer steht und nach einem bestimmten
Muster (Jahr, Monat, Tag) die richtige Ausgabe auswählen soll. Dabei könnte er dank der
von uns erschlossenen Informationen eigentlich auch mit der Eingabe des gewünschten Datums
im Katalog sofort zur gesuchten Ausgabe kommen, ohne sich manuell durch Jahre und Monate
hangeln zu müssen - wenn es denn einen Katalog gäbe, der diese ja bereits vorhandenen
Informationen indexiert.
Mein Argument ist ja: ein Digitalisat ist etwas anderes als eine Zeitung und muss deshalb
auch anders katalogisiert werden. Wobei die Katalogisierungspraxis einer Zeitung natürlich
nicht falsch ist, sie ist lediglich nicht umfassend genug, um einem Digitalisat gerecht zu
werden. Durch die Digitalisierung erzeugen wir Unmengen zusätzlicher Informationen, die es
bisher zwar implizit auch schon gab (auch eine analoge Monographie ist ja in Kapiteln
strukturiert), die jetzt aber über das Objekt hinaus nutzbar gemacht werden. Diese
Informationen werden aber nicht in den Katalogen nachgeführt und bleiben damit weitgehend
unsichtbar und vor allem unnutzbar. Das wäre so, als würde sich die Praxis durchsetzen,
künftig bei Monographien die Papierdicke zu erfassen, diese Information aber weder im
Katalog sichtbar noch recherchierbar zu machen (weil die Kataloge ja bereits
"Monographien in der Form, wie sie nun mal aktuell katalogisiert werden"
verzeichnen können und dabei eben kein Feld für die Papierdicke vorgesehen ist). Damit der
Nutzer dann aber trotzdem an diese mühsam erschlossene Information gelangen kann, legt man
in jede Monographie einen Zettel, auf dem die Papierdicke steht. Das wäre doch absurd:
weshalb soll sich denn die Katalogisierungspraxis nach den Katalogen richten? Sollte es
nicht umgekehrt sein? Wenn sich die Praxis ändert (und das hat sie im Fall der
Digitalisate bereits), dann sollten sich auch die Kataloge dieser veränderten Praxis
anpassen.
Viele Grüße
Sebastian Meyer
--
Sebastian Meyer
Projekt-Mitarbeiter
Sächsische Landesbibliothek -
Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB)
01054 Dresden
Tel.: +49 351 4677-206
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Von: dv-technik-bounces(a)dfg-viewer.de [dv-technik-bounces(a)dfg-viewer.de] im Auftrag von
Kay Heiligenhaus [kay.heiligenhaus(a)semantics.de]
Gesendet: Donnerstag, 25. Februar 2010 20:48
An: dv-technik(a)dfg-viewer.de; dv-technik(a)dfg-viewer.de
Betreff: Re: [DFG-Viewer] Strukturdaten für Zeitungen?
Lieber Herr Schulze,
da die Diskussion langsam ins Philosophische
abgleitet, möchte ich nur kurz
meine (sehr praktischen) Überlegungen mit einbringen.
Die Philosophie ist halt hier und da Grundlage aller Praxis. ;)
Ich bin wie Herr Meyer der Meinung, dass wir nicht die
Unzulänglichkeiten
der Nachweissysteme mit dem DFG-Viewer versuchten sollten auszubügeln.
Ich verstehe weiterhin nicht, was an der bisherigen Katalogisierungspraxis unzulänglich
sein soll. Das wird hier immer wieder in den Raum gestellt, aber allein: mir fehlt der
Glaube rsp. die Überzeugung, daß diese Behauptung stimmt. Auch hatte ich ja bereits darauf
hingewiesen, daß sich unsere Daten doch möglichst weit in der bestehenden (!) Welt
verbreiten sollten, sprich: In der ZDB auftauchen, im Verbundsystem, im OPAC, im Worldcat,
in ZVDD, in Europeana usw. usf. Alle diese Systeme kennen Periodika in der Form, wie sie
nun mal aktuell katalogisiert werden. Und alle diese Systeme kann man mit den hier
relevanten Metadaten versorgen und der Nutzer kommt so elegant dorthin, wo er hin möchte.
Aber gut. Sie sitzen in Berlin und können vielleicht mal schnell zu den Kollegen von der
ZDB gehen, anschließend dann zu den Kollegen von EuropeanaLocal-D an der ZLB. Anschließend
können Sie die Gelegenheit nutzen, wenn mal wieder jemand von OCLC an der Staatsbibliothek
auftaucht. Wenn Sie alle Einrichtungen überzeugt haben, daß wir ein Problem beim Nachweis
und bei der Erschließung von periodischen Werken haben und anschließend alle drei Systeme
(ZDB, Europeana, Worldcat) entsprechend Ihren Vorstellungen angepaßt sind, dann können wir
diese Diskussion auf wirklich praktischer Basis weiterführen... ;)
Allerdings sind unsere Nachweissyteme gar nicht so
unbrauchbar. Sie
basieren ja mittlerweile alle auf HTTP. Alles was wir brauchen ist eine
sinnvolle Datenbasis der verfügbaren Digitalisate (so etwas wie das ZVDD
oder etwas lokales), eine Schnittstelle und schon kann man sich zu einem
bestimmten Titel einen kleinen Kalender in den OPAC zaubern. Da muss
nicht ein neues Nachweissystem erfunden werden.
HTTP? Irgendeine Schnittstelle? Irgendeine zentrale Datenbasis? Das klingt alles nicht
nach aktueller Praxis, sondern nach Philosophie oder Vision. ;)
Ich stelle mir vor eine Bibliothek digitalisiert eine
Zeitung. Aus ihrem
Nachweissystem heraus verweist sie von diesem Titel auf den DFG-Viewer,
der es erlaubt in den Bänden, Ausgaben etc. zu navigieren, bis der Nutzer auf
die gewünschte Ausgabe trifft, die dann im DFG-Viewer angezeigt wird.
Die Navigationsstruktur wird über eine zeitungsspezifische METS-Datei
bereitgestellt, die die verweisende Bibliothek lokal vorliegen hat und aus
ihrem Digitalisierungsworkflow speist.
Habe ich das richtig verstanden, oder liege ich falsch?
Ja. Und so sieht so was dann in der Praxis bereits aus:
http://dfg-viewer.de/v2/?set%5Bimage%5D=1&set%5Bzoom%5D=default&set…
BTW: Da fällt mir auf, lieber Herr Meyer, daß es im Viewer hier noch einen Bug gibt. Wenn
in den MODS-Daten (für den Viewer relevante) "Pflichtelemente" nicht vorkommen,
dann werden diese Platzhalter (###PLACE### ###DATE### ) eingesetzt. Im vorliegenden Fall
haben wir aber schlicht keine Ortsangabe und keine Jahresangabe in den bibliographischen
Daten, da es sich um einen Aufsatz in einer Zeitschrift handelt. Von daher sollten diese
Platzhalter m.E. nicht gesetzt werden, da es sich hier eben um Pflichtfelder handelt, die
nur besetzt werden, wenn es auch Daten dazu gibt.
Wenn das der Plan sein sollte, dann bekommt der Nutzer
immer nur die
Digitalisate, die lokal produziert werden. Schade! Ist doch eigentlich nicht
nötig in der digitalen Welt.
Tatsächlich wäre es perfekt, wenn man Periodika oder mehrbändige Werke virtuell
zusammenfassen könnte auf einer zentralen Plattform. Ändert jedoch nichts daran, daß deren
Teile wahrscheinlich dezentral gespeichert sind und gespeichert bleiben. Oder man schiebt
alles in DigiZeit als der zentralen Plattform. Das macht nur wenig Sinn, wenn man die
Zeitschriften in einem fachlichen Kontext präsentieren möchte (wie im Beispiel oben die
ULB Sachsen-Anhalt die Zeitschriften im Kontext des SSG Orientalistik ins Netz stellt).
Außerdem müsste dauernd die METS-Datei
aktualisiert werden, wenn ein neues Digitalisat hinzu kommt. Und die Datei
soll wie groß werden?
Wie gesagt: das ist eine Dateihierarchie, die da entsteht. Und in der Tat: für jeden neuen
Band müßte ein neuer Eintrag in der METS-Datei der Zeitschrift gemacht werden. Da zahlt es
sich dann aus, wenn das METS dynamisch produziert wird oder man einen
Aktualisierungsmechanismus für bereits bestehende METS-Exporte zur Verfügung hat. (Ich
finde es in diesem Kontext allerdings etwas befremdlich, daß man diese notwendigen
Synchronisationsmechanismen als problematisch sehen kann und dabei letztlich unterstellt:
da kommt hinten irgendwann mal eine METS-Datei raus und die ist für immer und ewig
festgenagelt.)
Man sollte mal darüber nachdenken, ob man nicht den
DFG-Viewer nutzen
möchte, um eine sinnvolle Datenbasis aufzubauen. Das "Instrument" ist auf
jeden Fall dafür geeignet, die Daten sinnvoll auszulesen. Jeder "View" wäre
ein Eintrag in eine Datenbank. Die Daten kann sich dann jeder über eine
Schnittstelle abholen und wunderschöne Kalender zaubern, wie ich es oben
beschrieben habe. Das wäre dann ein pragmatisches ZVDD.
Darüber hatte Herr Meyer auch schon mal nachgedacht. Ist eine witzige und gute Idee m.E.
Beste Grüße,
Kay Heiligenhaus