Liebe KollegInnen,
hier die Antwort von Herr Mackert von der UB Leipzig auf Ihre Fragen zum Hintergrund
einiger Strukturdaten:
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Collegae,
das sind interessante Nachfragen und sehr überlegenswert. Ich versuche
mal, aus der Perspektive desjenigen, der sich inhaltlich mit
Handschriften beschäftigt, darzulegen, was zu den Vorschlägen geführt
hat. Vielleicht ergeben sich ja dann Vereinfachungen und Möglichkeiten,
Termini zusammenzuführen. Grundsätzlich möchte ich darauf hinweisen, daß
unsere Bemühungen dahin gingen, möglichst wenige und weit gefaßte
Oberbegriffe zu bilden, statt für Einzelphänomene ein eigenes Lemma zu
schaffen.
1. Künstlerische Phänomene im weitesten Sinn: Aus Hssperspektive können
grob drei "Eskalationsstufen" von Buchschmuck und anderen künsterischen
Ausdrucksformen unterschieden werden, erstens einfache Initialen
(wichtig wg Textgliederung und -abtrennung), zweitens Initialen mit
Schmuckformen (vom Fleuronné bis zur Feldinitiale mit
Deckfarbenausmalung und Akanthusrankenwerk) und drittens bildliche
Darstellungen. Letztere können Bildseiten, Deckfarbenminiaturen,
historisierte Initialen, kolorierte oder nicht kolorierte
Federzeichnungen oder auch bewohnte Initialen, Drolerien, Groteske und
nachgetragene Zeichnungen in Musterbuchmanier (gar nicht selten) sein.
Illustration ist im handschriftenkundlichen Bereich als "textbezogene
Ausstattung einer Handschrift mit Mitteln der Malerei, Zeichnung oder
Druckgraphik" definiert (Jakobi-Mirwald, Buchmalerei - Ihre
Terminologie.., 3. überarb. Aufl., Berlin 2008, S. 21). Die im
Strukturdatenset vorgegebenen Begriffe waren von den Drucken abgeleitet,
so daß wir die handschriftenkundlichen Belange darin schlecht
untergebracht fanden. Vor allem Illustration ist aus meiner Sicht ein
ungünstiger Begriff, wenn man z. B. einen nackten Trommler in einer
historisierten Initiale zum Weichbildrecht (haben wir!), eine marginale
Gewandstudie von späterer Hand oder eine völlig textunabhängige
Drolerieszene markieren will. "Bildliche Darstellung" ist wesentlich
offener.
2. Text: Hintergrund war hier, nicht die verschiedenen Textgattungen,
die möglich sind, zu einer langen und sicher stets unvollständigen Liste
zusamenzustellen, sondern einen universellen Oberbegriff zu schaffen.
Der Begriff Text oder Drucktext war nach meinem Wissen nicht in der
vorhandenen Liste aufgeführt, sonst hätte man den natürlich modifiziert
übernehmen können. Hinzu kommt: Im Handschriftenbereich stehen wir ja
oft vor dem Problem unfester Texte bzw. neu gebildeter Textcorpora. Das
können z. B. singulär überlieferte Florilegien sein oder
Zusammenstellungen von Kirchenväterkommentaren, die dann ihrerseits als
Einheit wahrgenommen und bestenfalls abgeschrieben wurden. Aus
verschiedenen Titeln (Florilegium: Ilias latina, Walther von Chatillon,
Vergil, Horaz etc.; Patreskompilation: Augustinus, Hieronymus etc.)
entsteht dann ein neuer Text. Es kann sich auch um spätmittelalterliche
Kurzversionen höfischer Epen handeln, die einen anderen Schluß aus einem
anderen Text erhalten. Etc. In all diesen Fällen stehen uns keine festen
Werktitel, sondern Hilfsoberbegriffe zur Verfügung. Das gleiche gilt für
die vielen Nachträge, die ja oft Ergänzungen aus anderen Texten sind.
Von einem Titel im Sinne der Titelei einer Druckschrift wird man nur mit
Bauchschmerzen reden wollen. "Text" stellt dagegen, so die Überlegung
der Runde, eine Art Einsprungpunkt für die Stellen zur Verfügung, an
denen sich innerhalb der Handschrift Textgrenzen befinden.
3. Schema: Ist eine Art der visuellen Buchausstattung, kehrt oft in
philosophischen, juristischen, musiktheoretischen und z. T. auch in
theologischen Hss wieder, außerdem in Formelbüchern und Briefstellern.
Schemata sind abstrakte graphische Figuren mit Textelementen (so etwas
wie heute die Pfeildiagramme). Eine sehr elaborierte Form kennt man von
den Arbores consanguinitatis et affirmitatis, bei denen aber die Grenze
zur Illustration meist überschritten wird.
4. Auf welche Ebene Faszikel gesetzt wird (als Bezeichnung für einen
ursprünglich selbständigen Teil mit eigener Kodikologie und Geschichte
innerhalb einer zusammengesetzten Handschrift), können wohl eher die
intimeren Technikkenner beantworten.
Alles klar? Sonst bitte Rückmeldung.
Beste Grüße in die Runde
CM
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Dr. Christoph Mackert
Universitaetsbibliothek Leipzig
Leiter des Handschriftenzentrums
Stellvertretender Bereichsleiter Sondersammlungen
Beethovenstr. 6
D-04107 Leipzig
fon: +49 (0)341 97-30509
mail: mackert(a)ub.uni-leipzig.de
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Bitte beachten Sie, dass Herr Mackert kein Abonnent dieser Mailingliste ist. Eventuelle
Antworten, die Sie auch an ihn richten möchten, müssten Sie also bitte explizit auch an
mackert(a)ub.uni-leipzig.de adressieren.
Viele Grüße
Sebastian Meyer
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Sebastian Meyer
Projekt-Mitarbeiter
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